Die Entstehungsgesichte des Romans
Oder auch: Diese beiden Fehler bitte nicht nachmachen!
Die
konkrete Entstehung des Buches, die mittlerweile deutlich über ein
Jahrzehnt zurückliegt, schildere ich weiter unten und gehe dort darauf
ein, warum ich denn nun gerade einen Thriller geschrieben habe, warum
diese Struktur, diese Geschichte, wie es überhaupt dazu kam, und so
weiter. Zunächst einmal möchte ich jedoch, als kleine Warnung und Lehre,
kurz die Odyssee schildern, die der Roman NACH Fertigstellung des
Manuskriptes durchmachen musste. Man stelle sich vor: Die vielleicht renommierteste
deutsche Literaturgentur will mich vertreten, der Agenturchef ruft persönlich bei
mir an - und ich vermassele diese Großchance doch glatt mit naiver
Offenheit... aber lesen Sie selbst...
Fehler Nummer 1 (Zu früh und ohne Exposé!)
Zum Zeitpunkt der Buchentstehung arbeite ich bereits seit Jahren professionell als Spieleerfinder und habe über mehrere Dutzend Titel veröffentlicht. Eines steht fest: Je besser ein Prototyp
ausgearbeitet ist, je mehr auf den Punkt gebracht, desto größer sind die
Chancen auf Veröffentlichung (inhaltliche Qualität mal vorausgesetzt).
Ferner bin ich fast genauso lange redaktionell tätig, begutachte seit
1996 die Ideen anderer Spieleautoren, perfektioniere sie und setze sie
anschließend zu einem fertigen Produkt um. Und auch hierbei ist eines
gewiss: Ein angebotener Prototyp muss dem jeweiligen Verlagsprofil
entsprechen, zum Verlag passen und insbesondere so präsentiert werden,
wie der Verlag es wünscht. Wer das nicht beachtet, hat kaum eine Chance.
Und was mache ich als Buchautor mit meinem Erstlingsmanuskript?
Der
Roman ist zwar gut geworden, aber noch nicht wirklich fertig.
Inhaltlich fehlt ein Stückchen. Insbesondere ist er viel zu lang, muss
dringend gekürzt werden, so um etwa ein Drittel, eher mehr. Ferner
weigere ich mich beharrlich, ein Exposé zu verfassen. Ich bin der
Meinung, dass ein Exposé der Struktur meines Romans widerspricht, dem
sehr besonderen Ende die angestrebte Wirkung nimmt (stimmt zwar irgendwie, ist aber trotzdem ziemlich dämlich.)
Kurzum:
Ich schicke das nicht fertige und viel zu weitschweifende Manuskript
OHNE Exposé aufs Geratewohl an die großen Verlage. Wenn die es
grundsätzlich gut finden, so meine Überlegung, dann arbeiten wir es
gemeinsam aus, der Lektor und ich, machen es gemeinsam rund. Also: Zwei
Schnupperkapitel ausgedruckt – und ab die Post. Und was passiert? Genau!
Entweder erhalte ich gar keine Antwort, was zumeist der Fall ist, oder
eine Blabla-Absage. Völlig verständlich, denn die Schreibtische der
Lektoren müssen ja nur so überquellen vor Manuskripten (eben genau so,
wie ich als Spieleredakteur zigtausende von Prototypen erhalten und
gesichtet habe). Und wer liest dann schon ein unaufgefordert
eingesandtes Manuskript ohne Exposé?
Ich
habe insgesamt neun Monate am Manuskript geschrieben, jeden Tag.
Während dieser Zeit ruht mein Spieleerfinderdasein komplett. Danach
jedoch kommen die Spiele mit Vehemenz zurück. Ich fange 2001 als
Produktmanager bei Amigo an zu arbeiten. Tausend Projekte. Ich habe
schlicht keine Zeit mehr für etwas anderes, rotiere mit großen Spaß auf
vollen Touren und lege den Roman erst einmal in der Schublade auf Eis.
Hinzu kommt, dass ich bei einem PC-Absturz alle Dateien verliere.
Wirklich ALLE. Den Roman habe ich zum Glück separat auf Diskette
gespeichert, aber nicht in jedem Detail die allerletze Fassung. Manche
Passagen werde ich neu schreiben müssen. Und welche Verlage ich
kontaktiert habe - keine Ahnung, das stand in meiner Word-Datei und die
ist definitiv futsch. Tja, das ist die eine Katastrophe. Doch parallel
schleicht es sich ganz langsam, Monat für Monat, noch viel heftiger an
mich heran, in mich hinein - der Supergau. Mich ereilt ein fettes
Burnout und gleichzeitig prasseln privat einige harte Schläge auf mich
ein. Ich verliere meinen Schlaf. Verliere ihn komplett. Habe das Gewicht
der Welt auf meinen Schultern. Ich stehe am Abgrund. Bin am Ende. Die
Krise dauert an und wird existentiell. Der Roman gerät völlig in den
Hintergrund, andere Dinge sind vordringlich. Es dauert Jahre, bis ich
privat wieder halbwegs auf Kurs bin. Ich arbeite weiter im Hintergrund
für Amigo und erfinde wieder Spiele. Aber nicht mehr voll Power wie
früher.
Fehler Nummer 2 (My name is Barbie!)
Neun
Jahre nachdem ich das Manuskript verfasst habe, starte ich einen neuen
Versuch. Gekürzt ist das Werk immer noch nicht, aber zumindest ein
Exposé habe ich geschrieben (das wirklich gut geworden ist). Diesmal
wähle ich einen anderen Weg, wende mich nicht an Verlage, sondern an
zwei Literaturagenturen. Die haben sicher einen besseren Draht in die
Verlagshäuser, und gemeinsam können wir den Feinschliff vornehmen. Und
siehe da, eine rennomierte Agentur aus München ist tatsächlich
interessiert. Die vertreten viele sehr bekannte und äußerst erfolgreiche
Bestsellerautoren. Wow! Der Agenturinhaber ruft höchstpersönlich bei
mir an und wir plaudern. Sie möchten gerne für mich tätig werden. Wow!
Dann fragt er mich, ob ich mein Manuskript schon irgendwo angeboten
habe.
Und was machte ich Vollhirni?
Anstatt
einfach mit "nein" zu antworten (denn keine Sau wird sich noch an mein
Manuskript ohne Exposé erinnern), sage ich ihm freimütig, dass ich das
Buch vor einigen Jahren einfach so blindlings an alle Großen geschickt
habe. Noch während ich es ausspreche, ist mir bewusst, dass ich das
nicht hätte erwähnen sollen - oh, scheiße. Tja, und natürlich, der gute
Agenturinhaber entgegnet prompt, dass es, da die Großen das Buch bereits
hatten, für sie leider uninteressant sei, schließlich habe man vor
allem die Großverlage im Blick. Er betont zwar, dass sie, wenn ich
erneut etwas schreiben sollte, gerne mit mir zusammenarbeiten möchten,
mich von Anfang an begleiten, aber das ist für mich aktuell nicht
relevant, bestenfalls ferne Zukunftsmusik. Und wenn ich mal nach München
komme, sagt er abschließend, dann solle ich doch bitte in der Agentur
vorbeischauen, damit wir uns mal persönlich kennenlernen. Und das war's
dann.
Oh
Mann, wie dämlich kann man sein? Dort, an Ort und Stelle, den warmen
Telefonhörer noch in der Hand, schwöre ich mir, dass ich, wenn ich es
jemals wieder mit dem Roman versuchen sollte, zur Historie NICHTS sagen
werde, Nullkommanull, unter keinen Umständen. Das Buch soll für sich
sprechen.
Es
gehen weitere Jahre ins Land. Private Umwälzungen. Mein Sohn wird
geboren - und danach ist gar nichts mehr, wie es mal war, meine Zeit
urplötzlich auf ein Minimum zusammengeschmolzen. Außerdem wechsele ich
von Amigo zu den Nürnberger Spielkarten. Dort baue ich, als redaktionell
Alleinverantwortlicher, ein komplett neues Autorenprogramm auf, von
zuhause aus. Perfekt. Aber: Ich bin voll ausgelastet. Das Projekt knallt
sofort rein. Unser "Qwixx" wird für das Spiel des Jahres nominiert. Wir
werden vom Erfolg überrannt. Es vergehen noch mal drei Jahre, bis ich
im Spätherbst 2014 endlich dazu komme, meinen Roman komplett
fertigzustellen, nun gut ein Drittel gekürzt und einige Passagen
umgestellt. Das Ding ist endlich FERTIG. Die Kürzung hat unglaublich
viel gebracht. Es liest sich gut. Es ist spannend. Es hat alles, was es
braucht. Eine Testleserin, die das Manuskript toll findet, bestärkt
mich, es doch noch mal bei Verlagen zu versuchen.
Da
ich keine Lust auf eine erneute Großverlgsochsentour habe, verschicke
ich eine Leseprobe MIT gewünschtem Exposé via Email an einige
Kleinverlage. Nebenbei bemerkt: In der Spielebranche habe ich mit
Kleinverlagen exzellente Erfahrungen gemacht. Und siehe da, Mainbook aus
Frankfurt greift rasch zu. Ich telefoniere mit Gerd Fischer, dem
Verleger. Wir plaudern anderthalb Stunden überaus nett miteinander,
alles klingt super – und dann machen wir den Vertrag. Kaum zu glauben,
aber wahr: Nach 15 Jahren wird mein Buch tatsächlich erscheinen. YES!!!
Aber,
bei aller Freude, eines ist mir völlig klar (denn dafür bin ich schon
viel zu lange im Verlags- und Autorengeschäft aktiv): Wir müssen etwas
tun! Einfach nur veröffentlichen, noch dazu bei einem Kleinverlag, und
dann darauf hoffen, dass sich das Werk irgendwie verkauft, das wird
nicht funktionieren bzw. nur in äußerst überschaubarem Rahmen. Es werden
viele Schritte nötig sein, um dem Roman die nötige Aufmerksamkeit zu
verschaffen: ein erstklassiges Cover, ein Film-Trailer, eine Homepage,
Interviews...
Ein bisschen Chronologie und Vorgeschichte:
1985 - 1988
Ich
schreibe, seit ich 16 bin. Zunächst Gedichte und Aphorismen. In der 12.
Klasse werden wir gefragt, was wir mal beruflich machen wollen. Ich
trage auf dem Fragebogen ein: "Von meinen Ideen leben!" Ich liebe Filme,
Spiele, Bücher. Da ist irgendwas in mir, das heranwächst und raus will.
Aber noch ist nichts konkret.
1988
Nach meinem Abitur passieren zwei entscheidende Dinge.
Erstens:
Aus dem Nichts heraus springt mich meine erste Spielidee an. Ich
bastele einen Prototypen und schicke ihn an Ravensburger. Ich kassiere
zwar (völlig zu recht) eine Absage, aber meine berufliche Zukunft ist
damit eingeläutet - auch wenn der Weg dorthin ein unfassbar weiter,
harter und steiniger sein wird.
Zweitens:
Nach meinem Abitur melde ich mich für die Übergangszeit bis zum
Grundwehrdienst (bzw. dann Zivildienst) arbeitslos. Während ich im
Warteraum des Arbeitsamtes sitze, zwischen etwa 20 Leuten, kommt mir
urplötzlich ein Gedanke in den Sinn: "Jeder Mensch hat drei Gesichter –
das Reale, das scheinbar Reale und das Scheinbare." Eine
allgemeingültige Wahrheit, ausnahmslos für jeden Menschen. Ich
formuliere den Gedanken dezidiert aus und bewahre ihn auf. Zwölf Jahre
später wird dieser Gedanke der Unterbau meines Romans sein.
1989 - 1993
Während
meines Zivildienstes verstärkt sich meine Spiele-Erfinder-Leidenschaft.
Aber sämtliche Entwürfe bleiben erfolglos. Ich bewerbe mich an der
Filmhochschule in München, Drehbuchautur könnte ich mir vorstellen,
werde aber abgelehnt. Ob ich vielleicht einen Roman schreiben soll? Aber
irgendwie ist es dafür noch zu früh. Hm, oder doch lieber Spiele
erfinden? Letztlich setzt sich meine Leidenschaft für die Spiele durch
und ich bleibe am Ball. Ich will es als Spieleerfinder schaffen.
Unbedingt. Es ist ätzend und kräftezehrend, JAHRELANG kassiere ich von
den Spieleverlagen nur Absagen. Ich bin kurz davor aufzugeben. 1993
beginne ich, quasi aus Sicherheitsgründen, ein Studium (Mathe und Sport,
Grundschullehramt). Und dann geschieht das Wunder...
1994 - 1995
Im
Sommer 1994 erhalte ich meinen ersten beiden Spieleverträge von FX
Schmid - was für ein strahlender Glücksmoment! Und im Februar 1995
erscheinen "Kunterbunt" und "Blütenhuper Farbentupfer" dann tatsächlich.
Im Sommer 95 unterschreibe ich einen weiteren Vertrag für meinen
späteren Bestseller "Solche Strolche". Und im Herbst 95 schlägt mein
"Speed" (das schnellste Kartenspiel der Welt) wie eine Bombe ein, wird
sofort zum Bestseller.
1996 - 2000
Infolge
des Speed-Erfolges entscheide ich mich, alles auf eine Karte zu setzen
und tausche mein Studium gegen den Beruf des Spieleerfinders ein.
Nebenher gründe ich mit meinem Bruder einen eigenen kleinen Spieleverlag
und betreue außerdem als redaktionell Verantwortlicher das
Autorenprogramm für die Berliner Spielkarten, habe dort alle Freiheiten.
Eine tolle Zeit. Macht unglaublich viel Spaß. Ich kreiere ein Spiel
nach dem anderen. Weitere Erfolge stellen sich ein. In drei
aufeinanderfolgenden Jahren landen insgesamt vier meiner Spiele auf der
Nominierungsliste zum Spiel des Jahres. Als im Jahr 2000 der zweite
Firmenverkauf der Berliner Spielkarten erfolgt, endet meine dortige
redaktionelle Mitarbeit. Irgendwie kommt das genau passend, denn ich
spüre immer stärker, dass ich eine Pause vom Dauer-Spielemachen brauche.
Die Leidenschaft für Karten, Würfel und Siegpunkte muss endlich mal
durchatmen. Ich möchte die Zeit nutzen, nun ein Romanprojekt in Angriff
zu nehmen. Die Zeit ist reif.
Der Roman entsteht
Nachdem
mein Entschluss feststeht, dass ich einen Roman schreiben will, stellt
sich natürlich die Frage, WAS es denn werden soll, welches Genre, welche
Geschichte, welche Thematik. Wichtig ist mir zunächst insbesondere
eines: Egal was ich schreibe, es soll UNTERHALTSAM sein, spannend,
flott, klar und einfach, letztlich so, dass man, wenn man das Buch
gekauft hat, denkt: ja, das hat Spaß gemacht, das habe ich gerne
gelesen. Damit hat man aus meiner Sicht 95% dessen erreicht, was man als
Autor erreichen kann. Was nicht heißt, dass man mit einem Buch nicht
wirlich etwas aussagen kann, aber man sollte in dieser Hinsicht nicht zu
viel erwarten und wollen, lieber wenig und dezent dosiert.
Zur
damaligen Zeit habe ich (von Schopenhauer abgesehen) viel von Eric
Ambler und John Grisham gelesen. Ambler kennt heute bestimmt
kaum noch jemand, was schade ist, denn er ist wirklich gut und, trotz
der vielen vergangenen Jahrzehnte, kein bisschen angestaubt. Grisham
hingegen kennt natürlich jeder, häufig garantiert durch die vielen
(nicht immer guten) Hollywood-Verfilmungen. Grisham hat seine Schwächen,
keine Frage, vor allem wird immer viel zu dick aufgetragen, aber sei es
hier mal ausdrücklich gesagt: Er kann überaus fesselnd schreiben.
Struktur und Aufbau seiner Geschichten sind zumeist erstklassig
(zumindest gilt das für seine ersten Romane; irgendwann habe ich ihn aus
den Augen verloren, von wegen der ewig gleichen aufgepumpten,
überlebensgroßen Anwalts-Millionen-Dollar-Geschichten). Er packt einen
und reißt einen mit. Sein "Die Firma" ist großartig, vom Tempo hat es
mich sehr an "Der Malteser Falke" erinnert, den Geniestreich von
Dashiell Hammett aus den 1930er-Jahren. Und genau das schwebt mir für
meinen Roman auch vor: eine packende Geschichte, der man, wenn sie einem
grundsätzlich gefällt, nicht mehr entkommen kann.
Mein
vor 12 Jahren verfasster Gedanke über die drei Geschichter eines jeden
Menschen kommt mir in den Sinn. Wir alle bleiben, was wir sind: Fremde
unter Fremden. Fassaden überall. Und unser Blick darauf: ein aus
Splittern zusammengesetzter Scherbenhaufen. Ich
entscheide mich dafür, diesen Gedanken als Aufhänger zu nehmen für
einen (im weitesten Sinne) Thriller. Ich möchte diesen Gedanken so
dezent wie nur irgend möglich HINTER die eigentliche Geschichte legen,
dergestalt, dass er fast vollständig davon verdeckt wird, dass es fast
ausschließlich spannende Unterhaltung ist - FAST, denn erst dieser eine
Gedanke dahinter macht die Geschichte zu dem, was sie ist: zu einer
allgemeingültigen Aussage über ALLE Menschen um uns herum. Ich will den
kühnen Versuch wagen, quasi eine riesige Hängematte aus purer, einfach
geschriebener Unterhaltung zu spannen und die Aussage dahinter, um die
es im Grunde geht, winzig klein an den Rand zu legen, sozusagen zwei
kleine Nägel, die die Hängematte rechts und links halten: ein kurzes
Vor- und ein kurzes Nachwort. Ansonsten findet man die Aussage eher in
der Struktur der Geschichte, in der gnadenlosen Wirkung am Schluss - ein
Knaller mitten ins fassungslose Gesicht des Lesers. Bämm! So der Plan.
Ein
charismatischer Protagonist soll es sein. Jemand, der zwar seine
unübersehbaren Schattenseiten hat, den man jedoch überaus sympathisch
findet, dem man gerne und bereitwillig folgt, hinab in seine Abgründe,
hin zu den Abgründen von uns allen. Das Buch soll eine Annäherung an das
Dunkle sein, das der Protgonist in sich trägt. Man taucht immer weiter
ein, sieht immer mehr, ahnt immer mehr. Ein Sog, dem man irgendwann
nicht mehr entkommen kann, erst langsam und dann, so ab Romanmitte,
immer schneller. Es gibt eine Annäherung an die Hauptfigur - so wie es
eben auch eine Annäherung an die tagtäglichen Mitmenschen gibt. Man
sieht immer mehr, ahnt immer mehr, weiß immer mehr, will immer mehr
wissen, und zum Schluss dann ... aber das verrate ich hier naürlich
nicht.
Sei
noch kurz eingeschoben, WIESO ich überhaupt einen Roman schreiben will.
Ich könnte doch einfach den Tag genießen und beim Spieleerfinden
bleiben. Die Antwort ist ganz einfach: Weil es Spaß macht. Nirgends
vergeht die Zeit so schnell wie beim Schreiben - und das ist stets ein
untrüglicher Indikator für Sinn und Erfüllung. Ich sitze über der
Geschichte, und zack, sind zwei Stunden weg. Und zack, wieder zwei
Stunden. Und schon ist es später Nachmittag. So geht es fortwährend.
Eine Szene entsteht. Ein Kapitel wird fertig. Wundervoll.
Als
ich mit dem Schreiben des Manuskripts beginne, habe ich eine ungefähre
Vorstellung davon, wie Martin Banner gestrickt ist, was er macht, wie er
sich gibt, wie er redet und handelt, wie die Welt um ihn herum in etwa
aussieht, Arbeit, Freunde, Familie. Aber richtig konkret ist NICHTS. Vor
allem ist nichts geplant, nichts steht fest. Ich setze mich hin und
fange an zu schreiben. Und beim Schreiben entsteht alles, eine Szene
generiert die nächste und ein Wort ergibt das andere. Nur so kann es
gehen für mich, nur so fühlt es sich organisch und real an. Und vor
allem: Nur so ist es FÜR MICH spannend. Der Schreibprozess steckt voller
Überraschungen, als schaue ich einen Film, bei dem ich nicht weiß, was
geschehen wird, ich ahne es irgendwie, und dann kommt es doch ganz
anders. Ich stelle es mir schrecklich langweilig vor (und auch extrem
konstruiert), wenn man vorab aufs Kleinste festlegt, wie ein Roman
ablaufen soll, wenn man quasi wie beim Filmemachen ein Story-Board hat,
auf dem alles punktgenau aufgelistet ist, jeder Charakter, jede Szene.
Wenn man praktisch nur noch das in Sprache übertragen muss, was man
vorab architektonisch aufs Reißbrett genagelt hat. Öde.
Ganz
besonderen Wert lege ich auf Dialoge. Die müssen authentisch sein. Denn
eines ist klar: Meine Geschichte mit ihrer besonderen Struktur, ihrer
besonderen Grundanlage, ihrem besonderen Ende, kann nur dann funktieren
und wird nur dann die gewünschte Wirkung erzielen, wenn das alles ECHT
ist, oder genauer gesagt: wenn es für echt genommen wird. Viel mehr kann
ich hier nicht dazu verraten, denn sonst spoilere ich. Es ist ein wenig
so, wie beim eingangs erwähnten und von mir ursprünglich nicht
verfassten Exposé: Wenn ich benenne, warum ich genau diese Struktur
gewählt habe, dann nehme ich unweigerlich die Wirkung weg. Ich würde all
denjenigen, die das Buch noch nicht gelesen haben, die Spannung rauben.
Das werde ich natürlich nicht tun. (Wer das Buch bereits gelesen hat
und mehr erfahren möchte, schicke mir bitte eine Email an
reinhard@staupe.com)
Ich
beende den Schreibprozess nach neun Monaten. Wahnsinn. Wo ist nur die
Zeit geblieben? Ich drucke das gesamte Werk aus und gebe es meinem
ersten Testleser, einem lieben Bekannten aus der Spielebranche, Volker
Weitzel. Seine Anmerkungen sind enorm hilfreich für mich. Insbesondere
eines klingt mir noch heute im Ohr: Manche Passagen sind zu lang, "man
neigt zum Überlesen!" Bingo, genau so ist es! Das Ding müsste dringend
gekürzt werden, alles Überflüssige rausgeschnitten. Ich nehme es mir vor
- für irgendwann mal. Auch eine Anmerkung von Volker zum Schluss des
Romans ist für mich Gold wert. Ich füge noch etwas hinzu. Die Wirkung
ist enorm.
Meine nächsten
beiden Testleser gewinne ich übers (damals noch recht junge) Internet,
über eine Lekrorats-Seite. Zwei
Literaturbegeisterte erklären sich bereit, meinen Roman zu lesen. Ich schicke ihnen
die ersten beiden Kapitel und betone ausdrücklich: Wenn ihr es
langweilig findet, brecht bitte ab! Es gibt kaum etwas Ätzenderes, als
ein ödes Buch lesen zu müssen (schönen Gruß an meine alten
Deutschlehrer...). Aber was geschieht? Beide fordern innerhalb kürzester
Zeit die nächsten Kapitel und schließlich den Rest an. Beide ballern
durchs Buch und finden es überaus spannend. Das freut mich sehr und es
macht mir Mut, mich mit dem Roman an Verlage zu wenden. Das mache ich
dann auch. Allerdings ungekürzt und ohne Exposé, sprich: völlig naiv -
siehe oben...
So viel mal zur Entstehungsgeschichte. Wer noch Fragen hat, schicke mir bitte eine Email.
Abschließend noch eines, da ich immer wieder mal danach gefragt werde. Nein,
der Roman hat nichts mit mir und meinem Leben zu tun. Er ist pure
Erfindung meiner Gedankenwelt. Ich bin, im Gegensatz zu Martin Banner,
ein völlig friedliebender und gewaltloser Geselle.